Vernetzung, Weiterbildung und Austausch
Das zweite Präsenztreffen des Netzwerks gegen Sexismus und sexualisierte Gewalt im Fußball fand am 20. und 21.11.24 in Hamburg beim FC St. Pauli statt. Bundesweit kamen rund 30 Standorte am Millerntor zusammen, um sich weiter zu vernetzen und durch die fachlichen Inputs und den gemeinsamen Austausch weiterzubilden. Außerdem konnte für die Inputs eine Onlineteilnahme gewährleistet werden, sodass weitere Standorte zugeschaltet werden konnten.
Wie bereits beim ersten Präsenztreffen im Februar in Bochum, fanden sich verschiedenste Standorte aus verschiedenen Ligen und mit vielfältigsten Bedarfen und Erfahrungswerten in Hamburg wieder.
Die große Stärke der Multiprofessionalität bestehend aus hauptamtlichen Mitarbeitenden der Clubs aus Fanbetreuung und Nachhaltigkeit, Mitarbeitenden der lokalen Fanprojekte, ehrenamtlich Mitarbeitenden der Awarenesskonzepte und Anlaufstellen sowie des AK Awareness aus Bremen, Vertreterinnen der DFL sowie der KoFaS, SaferSpaces und MeDiF-NRW bereicherte den wertschätzenden Austausch und die perspektivreichen Schwerpunkte.
Inhaltliche Schwerpunkte
Nach der Begrüßung, einer kurzen Vorstellungsrunde und einem offenen Austausch im Rahmen eines World Cafés konnten bereits erste inhaltliche Schwerpunkte der Bedarfe ausgetauscht werden: Was läuft gut in der eigenen Awarenessarbeit und wo könnte es noch besser laufen? Welche Erwartungen gibt es an die zwei Tage, wie funktioniert die Zusammenarbeit innerhalb der eigenen Verweisstruktur und Meldeketten? Und welche Wünsche und Bedarfe gibt es für die Zukunft und welche Neuigkeiten gibt es vom eigenen Standort? Welche Möglichkeiten der Finanzierung von Awarenessarbeit gibt es?
Die darauffolgende Pause wurde zum regen Austausch genutzt, bevor es mit dem ersten inhaltlichen Input durch das Netzwerk weiterging. „Mindeststandards in der fußballbezogenen Awarenessarbeit“, so der Titel des Inputs, beleuchtete zunächst die Definition von Awarenessarbeit und was es bedeutet, betroffenenzentriert zu denken und zu arbeiten und welche Rolle die Grundhaltung im Rahmen der Awarenessarbeit spielt. Dabei wurde auf das Handlungskonzept des Netzwerks verwiesen, welches 2019 veröffentlicht wurde und nach Definition und Verortung des Themas die Schwerpunkte Grundhaltung, Prävention und Intervention setzt. Darauffolgend wurden konkrete Mindeststandards im Aufbau und der Konzeption einer Awarenessstruktur diskutiert sowie die konkrete Umsetzung dessen: Wie kann sichergestellt werden, dass rein betroffenenzentriert gearbeitet wird? Wie sind die Awarenessteams erreichbar? Wie setzen sich die Teams zusammen? Welche Schulungen für Erstkontaktpersonen sind nötig und wie können diese realisiert werden? Welche Mindeststandards gelten für Partner*innen innerhalb der Verweisstruktur (bspw. Sanitätsdienst, Ordnungsdienst, Catering etc.) und wie umgehen mit teilweise hoher Fluktuation? Diskutiert wurde im Anschluss über ein mögliches „Güte-Siegel“, allerdings wurde schnell deutlich, dass die fußballbezogene Awarenessarbeit noch ein vergleichsweise neues Thema ist und zunächst wichtiger scheint, die generelle betroffenenzentrierte Grundhaltung gegenüber Sexismus und sexualisierter Gewalt im Fußball zu stärken sowie das Thema Awarenessarbeit flächendeckend zu etablieren.
Gefolgt von einer kurzen Pause ging es in den zweiten inhaltlichen Input des Netzwerks: „Bewusster Umgang mit Fallzahlen und dessen Auswertung“. Zunächst wurde deutlich gemacht, warum eine Dokumentation der Arbeit des Awarenesskonzepts unerlässlich ist: Was ist konkret passiert? Wo ist etwas passiert? Wer war betroffen? Über welches Medium oder Partner*in der Verweisstruktur wurde das Awarenessteam kontaktiert? Es wurde schnell deutlich, dass je detaillierter dokumentiert wird, auch detailliertere Schlüsse für die Awarenessarbeit gezogen werden können: Wo sind potentielle Angsträume? Für welche Vorfälle wird das Awarenesskonzept aufgesucht? Welche Medien zur Kontaktaufnahme (Sticker? Plakate? Hosentaschenkarten? Direkte Ansprache etc.) funktionieren standortspezifisch am besten? Wo muss ggf. nachgeschult werden? Im Verlauf des Inputs wurde exemplarisch die Erstellung einer niedrigschwelligen Datenbank präsentiert sowie die technischen Möglichkeiten zur Auswertung. Anhand eines konkreten Standorts wurde anonymisiert vorgestellt, wie in der Praxis die Dokumentation aussehen kann und welche Schlüsse bereits daraus gezogen werden können. In der anschließenden Diskussion stellten einige Standorte ihre Dokumentationswege vor und tauschten sich über Möglichkeiten und Hindernisse aus.
Mit einem gemeinsamen Abendessen klang der erste Tag des Präsenztreffens gemütlich aus, bevor es am zweiten Tag zunächst mit einem offenen Austausch losging.
Der dritte inhaltliche Input des Netzwerks mit dem Titel „Umfragen als Methodik in der Awarenessarbeit- Bedarfe und Evaluation“ schaute darauf, wie das Tool Umfragen effektiv als Methodik genutzt werden kann. Unterschieden zwischen den Zeitpunkten vor Einführung des Awarenesskonzepts als klassische Bedarfsabfrage sowie mit bestehendem Konzept wurden die Möglichkeiten, Umfragen für kurzfristige, mittel- und langfristige Ziele in der Awarenessarbeit vorgestellt. Verschiedene Arten der Umfragen, sowie die Integration von Awarenessthemen in bestehende Spieltagsumfragen wurden über verschiedene Medien präsentiert. Außerdem wurden mögliche Fragestellungen vorgeschlagen mit dazugehöriger Zielsetzung in der Auswertung. Anne Vidal, SG Dynamo Dresden stellte exemplarisch das Awarenesskonzept „Wo ist Flora?- Erstanlaufstelle Respekt!“ vor und wie im Vorfeld mit dem Medium Umfragen, Awareness als Thema an den Verein und die Fans herangetragen wurde, um daraus nachhaltig das Konzept am Standort Dresden zu etablieren. Herzlichen Dank an Anne für den Beitrag! Anschließend wurde im offenen Austausch diskutiert, welche Strukturen standortspezifisch vorhanden sind, um Awarenessthemen bspw. in Spieltagsumfragen einzubauen, welche Möglichkeiten der Evaluation und Interpretation es gibt sowie auch Grenzen dieser.
Nach einer großen Feedback-Runde über Menti-Meter und einem Abschlussaustausch gehen wir als Netzwerk motiviert und voller Ideen und Aufgaben aus dem Präsenztreffen. Es wurde erneut deutlich, wie wichtig und wertvoll Vernetzung und ein vielfältiger Austausch sind, welche vielfältigen Wünsche und Bedarfe es in der fußballbezogenen Awarenessarbeit gibt und welche Stärken genutzt und gefördert werden müssen. Wir bedanken uns beim FC St. Pauli für die Gastfreundschaft und die tolle Organisation und bei allen Teilnehmenden für die wertschätzende Atmosphäre, das konstruktive Feedback und den vertrauensvollen Austausch.