Vernetzung und Weiterbildung
Das erste Präsenztreffen der Anlaufstellen und des Netzwerks fand am 8. Februar 2024 in Bochum unter Organisation von MeDiF-NRW statt. 28 teilnehmende Standorte, davon 6 digital dazugeschaltet, zeugen von einer starken Vernetzung und einem großen Bedürfnis sich endlich mal in Präsenz zu treffen.
Unter den teilnehmenden Standorten waren solche, deren Projekt schon seit längeren fest in die Strukturen des jeweiligen Vereins eingebunden ist und solche, die gerade mit der Entwicklung einer Konzeptes beginnen. Leider konnte der Termin nicht so gestaltet werden, dass eine große Anzahl der fanbasierten Standorte teilnehmen konnte. Einige Wenige fanden aber sehr wohl den Weg nach Bochum. Wie bei jedem Treffen konnte auch diesmal ein Projekt seine Arbeit umfangreicher vorstellen: Safer Spaces.io/de existiert seit zwei Jahren und wurde aus der Clubkultur in Hamburg heraus gegründet. Es entstand aus der Notwendigkeit seitens der Clubs, sich einen Überblick im Hinblick auf sexualisierte Übergriffe in ihren Räumlichkeiten zu verschaffen und Betroffenen Unterstützung zukommen zu lassen. Es war klar, dass es dafür niedrigschwelliger Strukturen bedarf, um Betroffene und Awareness-Team zusammenzubringen. Seit 2023 ist Safer Spaces nunmehr auch im Fußball unterwegs. Mit einem Blick auf die Website konnte die Funktionsweise erklärt werden, die nicht App-basiert, sondern über standortbasierte QR-Codes Kontakt zu Unterstützenden im Club oder im Stadion herstellen kann. Das Awareness-Team wird darüber verständigt, wo die Person ist, die Unterstützung braucht, und es ist über eine Chatfunktion möglich, Austausch darüber herzustellen, was es situativ gerade braucht. Dabei werden keine personenbezogenen Daten erzeugt. Allerdings könnten Meta-Daten ausgewertet werden, um zu erkennen, von welchen Orten aus gehäuft Kontakt aufgenommen wird. Um eine intersektionale Perspektive einzunehmen, können letztendlich auch andere Diskriminierungsformen kommuniziert werden. Inzwischen bestehen Koorperationen mit dem FC St. Pauli, Bayern München und Holstein Kiel.
Safer Spaces versteht sich als eine Hilfe, auf der Awareness-Strukturen aufbauen können, es ist selbst kein Awareness-Konzept, aber ein sinnvolles Kommunikationsmittel, auch für Evaluation.
In der Umsetzung wurde dann auch der Sprachgebrauch auf den Plakaten reflektiert von „Besteht Gefahr“ zu „Brauchst du Hilfe“. Und es wurde recht schnell klar, dass es die Kommunikationskanäle der Vereine braucht, um das Konzept bekannt zu machen und es erleichtert die Nutzung. Die Kosten, die auf die Vereine zukommen , sind überschaubar, orientieren sich aber an dem finanziellen Potential des jeweiligen Clubs und es wird auch bei der Euro in den Host Citys mit diesem System gearbeitet werden.
Inhaltlicher Schwerpunkt: Umgang mit Kindern und Jugendlichen als Betroffene
Angesichts eines konkreten Vorfalls mit einer minderjährigen Betroffenen und einem Konflikt mit deren Eltern, widmete sich der ebenfalls regelmäßig stattfindende, fachliche Input der Frage nach dem Umgang mit Kindern und Jugendlichen und der Rolle der Eltern im Konfliktfall, wenn die betroffene Person nicht möchte, dass die Eltern informiert oder gar eingebunden werden.
Dabei wurde insbesondere das VIII Sozialgesetzbuch betrachtet, dass klarstellt, dass Eltern zwar eine Fürsorgepflicht und eine Art Informationsrecht in Bezug auf ihre Kinder haben, Kinder und Jugendliche aber ein Recht auf Beratung haben, ohne dass die Eltern automatisch einbezogen werden müssen. Eltern müssen also nicht sofort informiert werden, wenn dies den Beratungszweck vereiteln würde. Sowohl Mitarbeitende bei Trägern der freien Jugendhilfe (Fanprojekt-Mitarbeitende) oder auch Privatpersonen (dementsprechend auch Awareness Teams) sind nicht verpflichtet, Informationen über Gespräche an andere weiterzugeben, anders ist das bei der Polizei oder dem Ordnungsdienst. Es gibt keine Pflicht eine Straftat anzuzeigen, außer bei schweren Gewalttaten und wenn eine Tat noch zu verhindern sein könnte.
Auch im Kontext mit Kindern und Jugendlichen ist festzuhalten, dass Awareness-Teams in der Regel nur Erstgespräche führen, in denen geklärt wird, was die Person braucht. Hier kann auch geklärt werden, ob es eine vertraute Person gibt, die einbezogen werden kann. Auch das müssen nicht die Eltern sein. Es ist wichtig zu betonen, dass ein Erstgespräch keine umfangreiche Beratung ersetzen kann. Ein Awareness-Team ist keine Beratungsstelle, im Zweifel vermitteln wir in professionelle Beratung, gegebenenfalls begleiten wir Betroffen dort hin. Auch dafür ist ein steter Austausch mit möglichen Beratungsstellen ratsam und Teil der notwendigen Netzwerkarbeit.
Insgesamt müsse man sich klar machen, wie schwer es (nicht nur für) Kinder und Jugendliche ist, herauszufinden, an wen sie sich wenden können, vor allem wenn sie nicht mit Erziehungsberechtigten reden können oder/wollen. Andere Vertrauenspersonen sind von daher enorm wichtig. Grundsätzlich bietet das Netzwerk Beratung und Unterstützung an, wenn Standorte oder einzelne Erstkontaktpersonen Rat brauchen und ihn nicht vor Ort bekommen.
In einer abschließenden Feedbackrunde wurde deutlich, dass die Teilnehmenden des ersten Präsenztreffens sich weitere Fortbildungen wünschen und das gerne noch in diesem Jahr.